Ukraine: Kritik aus Moskau, Rom und Genf am Gesetz Nr. 8371
International ist das am 20. August 2024 verabschiedete Gesetz „Über den Schutz der Verfassungsordnung im Tätigkeitsbereich religiöser Organisationen“, das insbesondere auf die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) zielt, teilweise auf heftige Kritik gestoßen.
Wenig überraschend kritisierte der Hl. Synod der Russischen Orthodoxen Kirche die Verabschiedung des Gesetzes scharf. In einem Statement vom 22. August bemängelte er, dass zum Verbot einer Religionsgemeinschaft die „Schlussfolgerungen einer ‚religionswissenschaftlichen Begutachtung‘ reichen, die unter den Bedingungen einer ‚Hexenjagd‘ verfälscht sein können und werden“. Da es der ukrainischen Regierung trotz aller Repressionen nicht gelungen sei, die UOK zu erschüttern, sei sie nun dazu übergegangen, sie direkt zu verbieten. Diese Maßnahme „kann alle früheren historischen Repressionen gegen die UOK übertreffen, darunter die Verfolgungen während der Union von Brest, und ist vergleichbar mit so traurigen historischen Präzedenzfällen wie den Verfolgungen im Römischen Reich zur Zeit Neros und Diokletians, der sog. Dechristianisierung Frankreichs während der Französischen Revolution im 18. Jahrhundert, den atheistischen Repressionen in der Sowjetunion und der Zerstörung der Albanischen Orthodoxen Kirche in den 1960er Jahren durch das Regime von Enver Hoxha“. Besonders kritisierte der Hl. Synod die „negative Rolle“ von Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel und seiner Hierarchen. Er trage eine persönliche Verantwortung für die „Organisation der Verfolgungen der Gläubigen der UOK“.
Patriarch Bartholomaios hatte im August in einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelenskyj beteuert, er unterstütze alles, was zum Wohl der Ukraine beitragen solle, darunter auch die Initiative zur spirituellen Unabhängigkeit.
Sehr kritisch äußerte sich Papst Franziskus am 25. August zu dem Gesetz. Mit Schmerzen verfolge er die Kampfhandlungen in der Ukraine und in Russland. Angesichts des neuen Gesetzes in der Ukraine fürchte er um die Religionsfreiheit: „Wer betet, tut nichts Böses. Wenn jemand Verbrechen gegen sein Volk begeht, ist er diesbezüglich schuldig, aber man kann nicht Böses getan haben, weil man gebetet hat.“ Wer beten wolle, solle das in der Kirche seiner Wahl tun und „keine christliche Kirche sollte direkt oder indirekt verboten werden: Die Kirchen sind unantastbar“, sagte Franziskus weiter. Präsident Zelenskyj wies die Kritik des Papstes zurück und warf ihm vor, in seiner Haltung zum Gesetz von der russischen Propaganda beeinflusst zu sein. Moskau versuche verschiedene religiöse Institutionen in Europa zu beeinflussen. Daher müsse die Ukraine weiterhin um einen „wahrheitsgetreuen Informationsraum“ kämpfen, damit dieser nicht „mit russischen Informationen gefüllt“ werde. Es sei wichtig, nicht den Kontakt zum Vatikan, zu Italien, ganz Europa und den USA zu verlieren.
Besorgt über die Religionsfreiheit und den sozialen Zusammenhalt in der Ukraine zeigte sich auch der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK). Er sei „zutiefst alarmiert über das Potential einer ungerechtfertigten Kollektivstrafe einer ganzen Religionsgemeinschaft“. Er rief die Ukraine dazu auf, bei den Untersuchungen gegen Religionsgemeinschaften „fair und unvoreingenommen“ vorzugehen. (NZ)