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RGOW 7-8/2021: Grenzregionen im östlichen Europa. Begegnungs-, Transfer- und Konfliktzonen

Polesien, Transkarpatien, Sandžak oder Dobrudscha – wissen Sie, wofür diese Bezeichnungen stehen, oder sind es böhmische Dörfer für Sie? Letzteres wäre kaum verwunderlich, da diese Regionen im östlichen Europa selten im Fokus des internationalen Interesses stehen. Auch wir berichten zumeist aus den politischen und religiösen Zentren, weswegen wir in dieser Sommer-Doppelnummer den Blick auf elf eher unbekannte Regionen von Karelien im Norden bis Thrakien im Süden richten. Dabei handelt es sich im wahrsten Sinne um Grenzregionen – sei es,  dass sie an der Peripherie liegen, oder dass sie ein grenzüberschreitendes Gebiet bezeichnen. Allerdings entspricht dies unserer gegenwärtigen Raumwahrnehmung: So liegt beispielsweise die Region Thrakien im Länderdreieck Griechenland-Bulgarien-Türkei aus der Perspektive Athens, Sofias und Ankaras heute am Rand, doch zu Zeiten des Byzantinischen oder Osmanischen Reichs war sie eine zentrale Provinz in unmittelbarer Nähe zur Hauptstadt Konstantinopel bzw. Istanbul. Raumbegriffe unterliegen dem zeitlichen Wandel und sind mitnichten fixe geographische Größen. Das gilt auch für die „Region“, die eine Raumeinheit unterhalb der nationalstaatlichen Ebene bezeichnen kann, aber auch für staatenübergreifende, supranationale Raumeinteilungen wie Ost-, Ostmittel- oder Südosteuropa steht.

pdfInhaltsverzeichnis und Editorial

Lesen Sie in dieser Ausgabe:

Am Ende der Information? – Medien in Belarus

Ingo Petz
Die belarusischen Machthaber gehen mit massiven Repressionen gegen unabhängige Medien und Journalisten vor. Jüngste Beispiele sind die Blockierung des unabhängigen Mediums tut.by und die Verhaftung des Bloggers Raman Pratasevitsch. Das Vertrauen in…

Vom Nutzen und Nachteil von (supranationalen) Regionen

Diana Mishkova
Raumbegriffe wie Osteuropa, Ostmitteleuropa und Südosteuropa haben sich im Sprachgebrauch fest eingebürgert und erwecken die Vorstellung von klar abgegrenzten Regionen mit feststehenden Merkmalen. Raumbezeichnungen sind jedoch Resultat menschlicher…

Wunderland – Ladoga-Karelien nach dem Zweiten Weltkrieg

Ekaterina Melnikova
Im Zuge des Zweiten Weltkriegs mussten die finnischen Einwohner Ladoga-Karelien verlassen, und Familien aus unterschiedlichen Gebieten der Sowjetunion wurden hier angesiedelt. Nach dem Ende der Sowjetunion konnten die Finnen ihre frühere Heimat erst…

Das Modernisierungspotential des Zentralen Schwarzerdegebiets

Evgenija Kogaj
Das fruchtbare und gut erschlossene Zentrale Schwarzerdegebiet im Südwesten Russlands verfügt über günstige Voraussetzungen für eine Modernisierung, doch geht sie nur langsam voran. Auch wenn zivilgesellschaftliche Initiativen zunehmen, ist Partizip…

Das Grenzland als „pädagogische Provinz“

Krzysztof Czyżewski
Die Weiße Synagoge in der nordostpolnischen Kleinstadt Sejny an der Grenze zu Litauen ist heute ein Begegnungsraum für ein neues multiethnisches Miteinander. Das Kulturzentrum „Grenzland“ realisiert hier seit 30 Jahren kreative Kulturprojekte, die n…

Goralen-Folklore an der polnisch- slowakischen Grenze

Katarzyna Ceklarz
Wild, frei, ursprünglich – so versucht die Tourismus-Industrie für die Tatra-Bergkette zwischen Polen und der Slowakei zu werben. Dabei bedient sie sich vor allem der Traditionen und Ornamente der Hochlandbewohner, der Goralen. Diese stereotypi…

Das Atomprojekt in den Sümpfen Polesiens

Svetlana Boltovska
Von einer Sumpflandschaft mit schwacher Infrastruktur entwickelte sich Polesien im 20. Jahrhundert im Rahmen des sowjetischen Atomprojekts zu einer Energielandschaft, die zahlreichen Menschen Arbeit und urbane Lebensqualität bot. Trotz der Tsch…

Marienerscheinungen und der Platz Transkarpatiens in der Ukraine

Agnieszka Halemba
Transkarpatien, im äußersten Westen der heutigen Ukraine gelegen, sticht durch seine multinationale Bevölkerung hervor. 2002 berichteten zwei Mädchen erstmals von Marienerscheinungen in Dzhublyk. Die Marienerscheinungen sind dabei nicht nur ein reli…

Die Vojvodina – Multikulturalität und Regionalbewusstsein

Michael Portmann
2022 ist Novi Sad, die Hauptstadt der Vojvodina, Europäische Kulturhauptstadt. Die multiethnische Bevölkerungsstruktur der autonomen Provinz unterscheidet sich deutlich vom Rest Serbiens und hat zur Entstehung eines eigenen Regionalbewusstseins beig…

Der Sandžak – eine turbulente Grenzregion

Kenneth Morrison, Aleksander Zdravkovski
Der Sandžak ist eine Grenzregion zwischen Serbien und Montenegro, die auf eine osmanische Verwaltungseinheit zurückgeht. Die mehrheitlich slawischsprachigen Muslime im serbischen Teil des Sandžak fühlen sich von der Zentralregierung in Belgrad im St…

Thrakien – eine „bewegte“ Region im Südosten Europas

Nicole Immig
Prägend für die Region Thrakien war über Jahrhunderte die Nähe zum Zentrum politischer Macht: Konstantinopel, Byzanz bzw. Istanbul. Dies ließ die Region zu einem Drehpunkt internationalen Handels, aber auch zu einem militärischen Durchmarschgebiet w…

Dobrudscha – Das Land am Unterlauf der Donau

Thede Kahl
Die Landschaft zwischen Donau und Schwarzem Meer ist von einer reichen Natur und kultureller Vielfalt geprägt. Zahlreiche Volksgruppen und Machtzentren hinterließen in der Dobrudscha ihre Spuren. Trotz aller Nationalisierungsversuche konnte das Gren…

Multinational und prorussisch – Machtlegitimation in Transnistrien

Alexandr Voronovici
Transnistrien spaltete sich 1990/92 von der Republik Moldova ab. Die bis heute international nicht anerkannte Pridnestrovische Moldauische Republik setzt bei ihrer Legitimation vor allem auf einen polyethnischen und prorussischen Diskurs. Bei der Wa…