
Wiedergeburt zu hohem Preis: Das Kloster von Walaam
RGOW 07–08/2025
Der „nördliche Athos“, das größte orthodoxe Männerkloster Russlands auf einer Inselgruppe im Ladogasee floriert: Es zieht Geistliche, Pilger und Touristen an. Im 19. Jahrhundert Pilgerort der imperialen Aristokratie und Sehnsuchtsort russischer Landschaftskünstler, siedelten die Walaamer Mönche 1940 nach Finnland um, um der sowjetischen Verfolgung zu entgehen. Nach Jahrzehnten der Verödung hat Bischof Pankratij die Anlage mit kräftiger präsidialer Hilfe wiederaufgebaut.
Das Christi-Verklärungs-Kloster von Walaam liegt auf einem Archipel im nördlichen Teil des Ladogasees. Es wird auch „Nördlicher Athos“ genannt – ein vollkommen gerechtfertigter Anspruch wegen seines außergewöhnlichen Status. Die Klosteranlage war über Jahrhunderte eines der wichtigsten Zentren der russischen Orthodoxie. Sie überlebte die tragische Evakuierung von 1940 und Jahrzehnte der Verödung während der Sowjetzeit. Der heutige Aufschwung des Klosters hängt nicht nur mit einer erfolgreichen Wiederbelebung seines geistlichen und ökonomischen Lebens zusammen, sondern auch mit dem persönlichen Patronat von Vladimir Putin.
Tiefe Wurzeln in nördlichen Wassern
Die Gründungsgeschichte des Walaam-Klosters ist geheimnisumwoben. Laut kirchlicher Überlieferung wurde es im 10. Jahrhundert von den Hl. Sergij und Herman gegründet, doch ist über diese Heiligen so wenig bekannt, dass Zweifel an der historischen Glaubwürdigkeit ihrer Existenz bestehen. Die ersten schriftlichen Quellen über Sergij und Herman stammen aus dem 15. bis 16. Jahrhundert, ihre Viten bestehen vorwiegend aus allgemeinen hagiographischen Phrasen ohne Details ihres realen Lebens. Deshalb neigen einige Historiker zur Annahme, dass das Kloster bedeutend später, nämlich im 14. Jahrhundert, gegründet wurde, als Walaam mehrmals in schriftlichen Quellen erwähnt wird. Im 15. bis 16. Jahrhundert entwickelte sich das Kloster zu einem der größten orthodoxen Zentren im russischen Norden. Die Walaamer Bruderschaft brachte eine Vielzahl an herausragenden Asketen der Rus hervor. Unter ihnen war Herman von Alaska einer der erfolgreichsten Missionare der russischen Kirche, der in Alaska predigte und dort bis heute verehrt wird. Die Klosteranlage wurde im 16. bis 17. Jahrhundert mehrmals von den Schweden verwüstet, doch wurde sie immer wieder aufgebaut.
1819 besuchte Zar Alexander I. das Kloster, was den Beginn der Tradition einer „Zarenfrömmigkeit“ markierte und ihm unter dem Patronat der Zarenfamilie die größte Blüte im 19. Jahrhundert bescherte. In dieser Zeit verwandelte sich Walaam in einen Pilgerort der hauptstädtischen Aristokratie. Das Kloster zeichnete sich von anderen großen Klosteranlagen durch eine erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit aus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein einzigartiges System an Gewächshäusern und Orangerien geschaffen, in denen Wasser- und Honigmelonen, Pfirsiche, Aprikosen und Weintrauben gezüchtet wurden – Kulturen, die für das nördliche Klima völlig ungeeignet schienen. Die Walaamer Mönche, deren Mehrheit bäuerlicher Herkunft war, brachten neue landwirtschaftliche Methoden in das Klosterleben ein.
Im 19. Jahrhundert verhalfen russische Landschaftsmaler Walaam zu besonderem Ruhm. Der abgelegene Archipel mit seiner rauen nördlichen Natur, malerischen Felsen und majestätischen Klosterbauten wurde zu einer echten Malerwerkstatt unter freiem Himmel. Ivan Schischkin verbrachte den Sommer 1858 auf der Insel und schuf eine Reihe an Gemälden und Skizzen. Sein „Blick auf die Insel Walaam“ wurde zu einer der bedeutendsten Arbeiten des künftigen Meisters der Landschaftsmalerei. Archip Kuindzhi, der in den 1870er Jahren auf Walaam weilte, war von den Lichteffekten des nördlichen Himmels so beeindruckt, dass dies seine weitere künstlerische Entwicklung bestimmte. Sein Bild „Auf der Insel Walaam“ (1873) war die erste Arbeit, die ihm Pavel Tretjakovskij für seine Galerie abkaufte. Nicholas Roerich besuchte Walaam mehrmals und hielte seine Eindrücke in einer Serie symbolischer Gemälde fest, auf denen die Insellandschaften ein mystisches Gepräge erhielten.
1940: Flucht nach Finnland
Nach der Revolution von 1917 erlangte Finnland die Unabhängigkeit, so dass der Archipel nun auf dem Territorium des neuen Staats lag. Walaam war weder vom „roten Terror“ (1917–1922) noch vom „großen Terror“ (1937–1938) betroffen. Im Unterschied zu den Klöstern auf sowjetischem Territorium, die grausame Verfolgungen erlebten, führte Walaam sein bisheriges Leben fort, ohne seine Ordensregel zu ändern. Der Zustrom von Pilgern und neuen Klosterbewohnern nahm jedoch stark ab.
Die Tragödie geschah im Winter 1940, kurz nach Beginn des sowjetisch-finnischen Kriegs. Als sich abzeichnete, dass die sowjetischen Truppen die Insel bald einnehmen würden, standen die Klosterbrüder vor einer schwierigen Wahl: in ihrer Heimat zu bleiben und unweigerlich grausamsten Repressionen ausgesetzt zu sein, oder die Klostergemeinschaft durch Flucht nach Finnland zu bewahren.[1] Der Walaamer Exodus ist eine der dramatischsten Kapitel in der Geschichte des russischen Mönchtums im 20. Jahrhundert. Dank einer persönlichen Anordnung von Marschall Carl Gustaf Mannerheim, stellte die finnische Regierung 40 Lastwagen für die Evakuierung des Klosters zur Verfügung. Unter den Bedingungen der Kriegszeit war dies eine beispiellose Entscheidung.
Innerhalb von drei Tagen und Nächten sammelten und verpackten die Mönche buchstäblich alles, was mitgenommen werden konnte: Die wichtigsten Heiligtümer des Klosters, die Reliquienschreine der Hl. Sergij und Herman, wundertätige Ikonen, darunter die Walaamer Gottesmutter-Ikone, alte Bücher und Handschriften, liturgische Gefäße, Gewänder und sogar Kirchenglocken – alles wurde gut verpackt und über den vereisten Ladoga-See nach Finnland transportiert. Schließlich verließen auch alle 164 Mönche Walaam für immer.
Bereits ein halbes Jahr später kaufte die Bruderschaft ein Anwesen in der finnischen Gemeinde Heinävesi und gründete dort das Kloster neu (Valamon Luostari). Dort leben und beten sie bis heute und halten die Traditionen des alten Walaam aufrecht. Dieser Gemeinschaft schlossen sich die Mönche des Petschenga Klosters an, und etwas später, bereits Mitte der 1950er Jahre auch diejenigen des Konevskij-Klosters. So überlieferten russische Mönche ihre Traditionen an Finnen, die heute die Grundlage der mönchischen Gemeinschaft bilden. Die letzten Mönche, die noch auf Walaam ihr Gelübde abgelegt hatten, starben Anfang der 1980er Jahre.
Auf dem Gelände des verlassenen Walaam-Klosters richteten die sowjetischen Behörden zunächst eine Schule für Bootsmänner und Schiffsjungen ein, und von 1952 bis 1984 ein Heim für Kriegsinvaliden und Hochbetagte, die aus der ganzen Sowjetunion hierhergebracht wurden, um niemanden an die Kriegsschrecken zu erinnern. Die majestätischen Kirchen verfielen allmählich, die Fresken wurden übermalt, die Mönchszellen wurden zu Wohn- und Wirtschaftsräumen umgebaut.
Wiedergeburt unter präsidialem Patronat
In den Jahren der Perestrojka gelangten sechs Mönche aus dem Dreifaltigkeitskloster von Sergijev Possad am 14. Dezember 1989 auf die Insel, um das Mönchsleben wiederzubeleben. Sie taten dies, ohne sich um die Unterstützung derjenigen Gemeinschaft zu kümmern, die das Kloster 1940 verlassen hatte. 1991 wurde dem Verklärungskloster der Status eines Stauropegion verliehen, was bedeutet, dass es direkt unter der Leitung des Patriarchen steht.
Zur zentralen Figur der Wiedergeburt des Walaamer Klosters wurde Bischof Pankratij (Zherdev), der am 18. Januar 1993 zum Vorsteher ernannt wurde. Er hat den Charakter und das Erscheinungsbild des gegenwärtigen Walaam maßgeblich geprägt. 1955 in Perm geboren, studierte der künftige Bischof Architektur am Polytechnischen Institut in Tadschikistan, was sich für den Wiederaufbau Walaams von unschätzbarem Wert erwies. Im Unterschied zu vielen kirchlichen Hierarchen ging Bischof Pankratij die Wiedergeburt des Klosters nicht nur als Seelsorger und Verwalter an, sondern auch als Architekt. 1986 trat er ins Moskauer Geistliche Seminar ein und wurde bereits nach einem Jahr zum Mönch namens Pankratij geweiht, zu Ehren des Hl. Pankratij, einem Eremiten des Kyjiwer Höhlenklosters. Auf Walaam stieß Bischof Pankratij auf Ruinen: zerstörte Mauern, undichte Dächer, zahlreiche Gebäude ohne Fenster und Türen. Anstelle einer hastigen Renovierung initiierte er umfangreiche Untersuchungen zum historischen Erscheinungsbild des Klosters und lud professionelle Restauratoren und Architekten ein. Unter seiner Leitung wurde ein einzigartiges Programm zur Restaurierung nicht nur des zentralen Klostergebäudekomplexes ausgearbeitet, sondern aller historischer Skiten des Archipels. In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden Dutzende Kirchen, Zellengebäude und Wirtschaftsgebäude restauriert oder neu gebaut.
Dass Walaam im gegenwärtigen Russland eine Sonderstellung zukommt, hat die Klosterbruderschaft jedoch nicht nur ihrem tatkräftigen und gebildeten Vorsteher zu verdanken. Das Kloster stand formal unter dem Patronat des ersten Präsidenten Russlands, Boris Jelzin, und danach unter dem Patronat Vladimir Putins. Dieser besuchte Walaam erstmals am 11. Juli 2001, und ist seitdem nicht nur regelmäßig Gast des Klosters, sondern er baute auch auf einer der Inseln des Archipes seine Sommerresidenz: Das hat Walaam zu einem Ort inoffizieller und nicht öffentlicher Treffen gemacht.
Für Putins ideologisches Modell russischer, auf orthodoxer Identität basierender Staatlichkeit erwies sich Walaam als ideales Symbol, in das es sich zu investieren lohnte. Das Kloster verkörperte gleichzeitig die historische Kontinuität mit dem vorrevolutionären Russland und den Triumph der Wiederbelebung dessen, was Putin „traditionelle Werte“ nennt. Walaam wurde zu einem der Orte, wo das Regime regelmäßig eine Art „Zarenfrömmigkeit des 21. Jahrhunderts“ und ihre Verbindung mit der orthodoxen Tradition demonstriert. Das Patronat des Präsidenten verschaffte dem Kloster beispiellose finanzielle Möglichkeiten. 2002 wurde der Kuratorienrat des Patriarchen zum Wiederaufbau des Walaamer Klosters gegründet, dem Leiter föderaler Agenturen und staatlicher Korporationen, Gouverneure und Geschäftsleute angehören. Natürlich ging das alles nicht ohne systemische Korruption vonstatten.
Von 1992 bis 2011 wurden praktisch alle Gebäude und Einrichtungen auf dem Gebiet des Walaamer Archipels dem Verklärungskloster übereignet, doch die Umsiedlung der lokalen Bewohner geschah nicht ohne grobe Rechtsverstöße, über die die Moskauer Helsinki-Gruppe berichtete. Die Abschaffung der kommunalen Selbstverwaltung war illegal, Dokumente wurden gefälscht und die Lokalbevölkerung schließlich ihrer Rechte beraubt. Walaam wurde administrativ der Stadt Sortavala am nördlichen Ufer des Ladoga-Sees zugeordnet. Die bisherigen Einwohner wurden gewaltsam von der Insel vertrieben. Das wäre ohne vorherige Absprache zwischen der Klosterleitung sowie der Exekutive und Judikative Kareliens nicht möglich gewesen.
Architektur- und Wirtschaftswunder am Ladoga-See
Während des Wiederaufbaus wurde eine Vielzahl an Kirchen restauriert und neu erbaut. Die Verklärungskathedrale wurde 2005 wiedereröffnet. Die Nikolskij-Skite ist das Aushängeschild Walaams: Sie ist die erste Kirche, die Pilger und Touristen sehen, wenn sich ihre Schiffe dem Archipel nähern. Die Nikolaj-Kirche ist für den russischen Norden typisch mit polygonalem Zeltdach und einer reich dekorierten Fassade aus lokalem Gestein. Für die Kazaner Skite, die 2020 im Stil des russischen Modernismus erbaut wurde, erhielten der bekannte Kirchenarchitekt Andrej Anisimov und Bischof Pankratij 2021 die Silbermedaille des wichtigsten Architekturwettbewerbs Russlands. Insgesamt entstand auf Walaam in den letzten zwei Jahrzehnten ein einzigartiges Laboratorium für kirchliche Kunst, wo führende Architekten, Ikonenschreiber, Holzschnitzer, Mosaikkünstler und Kalligraphen arbeiteten.
Zudem gelang es auf Walaam, ein effektives Wirtschaftsmodell zu etablieren, die traditionelle Klosterwirtschaft mit modernen Managementmethoden verbindet. Das Kloster setzte die historische Tradition Walaams als Zentrum landwirtschaftlicher Innovation fort und baute moderne Gewächshäuser, legte Gärten an und betrieb Fischerei. Besonders stolz ist das Kloster auf seine Käserei, die Käse nach alten Rezepten aus den Klosterarchiven herstellt. Zudem gibt es eine Bienenzucht und die Herstellung von Kirchenkerzen.
Ein durchdachtes Tourismussystem erlaubt es, die Insel für Besucher zugänglich zu machen, und dennoch die klösterliche Ordnung beizubehalten. Dafür wurden diverse Zonen – für alle, nur für Pilger und Touristen sowie nur für die Mönche – eingerichtet. 2023 besuchten 175 000 Menschen die Insel – Walaam ist heute eines der meistbesuchten Klöster Russlands. Dabei ist es gelungen, eine Atmosphäre der Konzentration auf das Gebet zu bewahren.
Widersprüche und der Preis der Wiedergeburt
Im Juni 2025 stand das Walaamer Kloster im Zentrum eines Skandals, nachdem eine Predigt von Schema-Hegumen Gavriil (Vinogradov-Lakerbaja) vom 25. Mai mit antimuslimischen Aussagen auf YouTube veröffentlicht worden war. Darauf reagierte Apti Alaudinov, ein Kommandant des tschetschenischen Bataillons „Achmat“, und verlangte eine Entschuldigung. Das Kloster versuchte den Konflikt herunterzuspielen, indem es am 5. Juni offiziell erklärte, Gavriil sei von seinem Vorsteheramt einer Mönchsgemeinschaft entbunden worden. Dennoch geriet die Situation außer Kontrolle. Die Bestrafung des Schema-Hegumens rief bei orthodoxen Aktivisten eine Welle der Empörung hervor. Sogar Erzbischof Savva (Tutunov), ein einflussreicher Mitarbeiter der Moskauer Patriarchie, bezeichnete den Entschluss des Klosters als Fehler. Die fundamentalistische Bewegung „Vierzig mal Vierzig“ (Sorok sorokov) lancierte eine Kampagne und verlangte Alaudinov per Strafbefehl zur Verantwortung zu ziehen. Schema-Hegumen Gavriil selbst demonstrierte vollkommene Loyalität gegenüber den kirchlichen wie auch säkularen Behörden und verurteilte die Auftritte zu seiner Verteidigung kategorisch.
Der Konflikt offenbarte einen fundamentalen Widerspruch in der Situation des Walaamer Klosters und der Kirche insgesamt. Hinter der Fassade totaler Loyalität gegenüber dem Staat verbirgt sich eine komplexe ideologische Realität, in der die religiösen Ansichten der Geistlichen in einen offensichtlichen Konflikt mit der Politik des interkonfessionellen Friedens treten, den der Kreml predigt. Sogar wenn man einzelnen Priestern die Präsenz in sozialen Netzwerken verbietet, werden potenziell gefährliche Aussagen von Zeit zu Zeit in den öffentlichen Raum gelangen. Solche Vorfälle führen das brüchige System der staatlichen Kontrollierbarkeit des religiösen Lebens im gegenwärtigen Russland vor Augen.
Im Walaamer Kloster leben heute etwa 200 Mönche und Novizen, was es zu einem der größten Männerkloster im heutigen Russland macht. Im Gespräch sind die Gründung einer Geistlichen Akademie, die Ausweitung von Kulturprogrammen und die Gründung eines Museums für moderne christliche Kunst auf der Grundlage der persönlichen Sammlung von Bischof Pankratij. Walaam ist durchaus ein herausragendes Beispiel für eine kreative Wiederbelebung des Klosterlebens im 21. Jahrhundert und keine mechanische, inhaltslose historische Rekonstruktion.
Und doch wird für diesen Aufschwung und das Wohlergehen ein sehr hoher Preis bezahlt. Die staatliche Unterstützung zieht für das Kloster nicht nur geistliche Verpflichtungen nach sich (Gebete für die Regierung und persönlich für den russischen Präsidenten und weitere Gönner), sondern auch politische. Es verwundert nicht, dass die Mönche zum Krieg gegen die Ukraine schweigen und Priester nicht verteidigen, die aufgrund ihrer Antikriegshaltung verfolgt werden.[2] Sieben Teilnehmer der „militärischen Spezialoperation“ verbringen zurzeit auf Walaam eine „geistig-psychologische Rehabilitation“, wie die Website des Klosters stolz berichtet. Bischof Pankratij selbst nahm 2024 an jener Versammlung des „Weltkonzils des Russischen Volks“ teil, in dessen Schlussdokument es ausdrücklich heißt, dass „die militärische Spezialoperation ein Geheiligter Krieg“ sei, „in dem Russland und sein Volk, indem es den einheitlichen geistigen Raum der Heiligen Rus verteidigt, die Mission des ‚Aufhalters‘ [2 Thess 2,6] erfüllt, der die Welt vor dem Angriff des Globalismus und des dem Satanismus verfallenen Westens verteidigt“.[3] Bei Bischof Pankratij rief diese Formulierung keinerlei Einwände hervor. Die prophetische Stimme des Mönchtums, die traditionell Lüge und Heuchelei der Regierung anprangerte, erklingt auf Walaam nicht und kann dort nicht erklingen.
Die Erfahrung der Wiedergeburt Walaams wirft Fragen auf: Worin besteht das Wesen des Mönchtums, wenn man die politische Loyalität und das öffentliche Schweigen des orthodoxen Mönchtums kaufen kann? Worin besteht die Kraft der Mönchsgelübde, wenn großzügige staatliche Unterstützung die Stimme des christlichen Gewissens ersticken kann? Die Zukunft des Mönchtums und der orthodoxen Kirche insgesamt hängt in Russland von ehrlichen Antworten auf diese Fragen ab.
Anmerkungen:
[1]) Vgl. Melnikova, Ekaterina: Wunderland – Ladoga-Karelien nach dem Zweiten Weltkrieg. In: RGOW 49,7–8 (2021), S. 11–14.
[2]) Vgl. Kordotschkin, Andrej: Friede allen. Solidarität mit verfolgten russischen Geistlichen. In: RGOW 53, 6 (2025), 23–25.
[3]) https://www.patriarchia.ru/db/text/6116189.html
Übersetzung aus dem Russischen: Regula M. Zwahlen.
Sergei Chapnin, Direktor für Kommunikation des Orthodox Christian Studies Center der Fordham University, New York.
Bild: Das Christi-Verklärungs-Kloster von Walaam wird auch „Nördlicher Athos“ genannt (Foto: Shutterstock.com).