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Eugen Voss zum Gedenken (26.3.1926 – 4.2.2021)

Erich Bryner

Am 4. Februar 2021 ist der Gründer und langjährige Leiter des Instituts G2W – vormals „Glaube in der 2. Welt“, Pfr. Dr. h. c. Eugen Voss, im Alter von 94 Jahren verstorben. Sein Nachfolger als Institutsleiter würdigt dessen Einsatz für Religionsfreiheit in Osteuropa.

Eugen VossEugen Berthold Voss wurde am 26. März 1926 als Sohn der Russlandschweizerfamilie Alfred und Anastasia Voss-Galanzova in Luzern geboren. Der Vater war Schweizer, die Mutter gebürtige Russin, so dass der Sohn zweisprachig aufwuchs, „mit Russisch und Schweizerdeutsch“, wie er einmal sagte. Von Kindheit an war er nicht nur mit der schweizerischen und reformierten, sondern auch mit der russischen Kultur und dem orthodoxen Glauben gut vertraut. Nach dem Studium von Musik, Philosophie und Theologie wurde er 1952 zum Pfarrer der Reformierten Landeskirche des Kantons Zürich ordiniert.

Gründung des Instituts G2W
Über viele Jahre war Eugen Voss in den Kirchgemeinden Erlinsbach und St. Moritz als Seelsorger tätig. Ein Besuch bei seinen Verwandten in Russland 1963, also mitten während der Kirchenschließungskampagne unter Chruschtschow, machte ihn auf die Not der Christinnen und Christen in der Sowjetunion aufmerksam, die ihn nicht mehr los ließ. Seines Erachtens wurden die kirchenfeindlichen Vorgänge in der Sowjetunion sowohl in politischen als auch in kirchlichen Kreisen der Schweiz kaum zur Kenntnis genommen und Berichte darüber vorschnell als antikommunistisch diffamiert. Voss widmete sich seither der Aufgabe, „sachlich, zuverlässig und zugleich christlich engagiert“ über die Lage der Kirchen und Menschenrechte in der Sowjetunion zu berichten. Sein Bericht an der Synode der Evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden im Juni 1968 hinterließ einen tiefen Eindruck. In der Folge beauftragte die Bündner Synode Eugen Voss, ein Konzept für ein entsprechendes Informationsinstitut auszuarbeiten. Am 10. Juli 1972 wurde in Chur der Verein Glaube in der 2. Welt (G2W) mit dem gleichnamigen Institut gegründet, und zwar gleich zu Beginn als eine ökumenische Organisation, getragen von reformierten und römisch-katholischen Landeskirchen; die christkatholische Landeskirche kam bald hinzu. Zudem wurde der Verein von zahlreichen Kirchgemeinden und Einzelmitgliedern mitgetragen.

Einsatz für Religionsfreiheit in der Sowjetunion
In der Monatszeitschrift, mit Vorträgen, Artikeln, mit Broschüren und Büchern, von denen viele im 1981 gegründeten Verlag erschienen, kam Eugen Voss dem Informationsauftrag des Instituts nach. Die erste Nummer der Zeitschrift, die im Januar 1973 erschien, war ein einfacher Materialdienst im Umfang von 30 Seiten. Daraus entwickelte Voss in den folgenden Jahren das Organ Glaube in der 2. Welt. Zeitschrift für Religionsfreiheit und Menschenrechte. Im hauseigenen Verlag erschienen weitere wichtige Publikationen, darunter das Buch „Die Religionsfreiheit in Osteuropa“.
Während mehr als anderthalb Jahrzehnten war die Arbeit von G2W vom „Kalten Krieg“ geprägt. Europa war durch den „Eisernen Vorhang“ gespalten, und die Kommunikation zwischen den beiden Teilen gestaltete sich außerordentlich schwierig. Eugen Voss gelang es, mit zahlreichen Vertrauenspartnern, darunter mit dem russischen Menschenrechtskämpfer Andrej Sacharov, aber auch über die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa(KSZE) und Menschenrechtsorganisationen zu einschlägigen Nachrichten zu kommen. Die schweizerische Landesregierung berief den profunden Osteuropakenner zum Experten an die Verhandlungen der KSZE.
Eugen Voss erkannte sehr bald, dass wissenschaftlich aufbereitete Information allein nicht genügte. Die vielen Kontakte zu Christen hinter dem Eisernen Vorhang ließen Nöte erkennen, die praktische Hilfe erforderten. Daher begann Voss diese aufzubauen, tatkräftig unterstützt von seiner Frau. Die Hilfe geschah zunächst durch Einzelaktionen, dann durch gezielte Literaturhilfe und durch die Förderung religiöser Radiosendungen von La Voix de l’Orthodoxie in Paris. Als sich die Wende in Osteuropa und der Zusammenbruch der Sowjetunion abzuzeichnen begannen, initiierte Eugen Voss sofort eine systematische Projektarbeit mit dem Schwerpunkt Russland, die 1991, nach seinem altersbedingten Rücktritt von der Leitung von G2W, von Franziska Rich aufgebaut wurde.
Eugen Voss erhielt mehrere hohe Auszeichnungen. So verlieh ihm die Christlich-Theologische Akademie Warschau 1994 die Ehrendoktorwürde. Im selben Jahr erhielt er von der Republik Ungarn den ungarischen Verdienstorden. Als Nachfolger in der Leitung des Institutes blieb ich mit Eugen Voss über Jahre hinweg verbunden und schätzte seine reichen theologischen, kulturellen und sprachlichen Kenntnisse sowie seine umfassende organisatorische Aufbauarbeit sehr. Diese war so solide, dass sie in den turbulenten 1990er Jahren nach der Wende Bestand hatte – bis auf den heutigen Tag. Institut und Zeitschrift existieren nun schon seit 49 Jahren.

Erich Bryner, Prof. Dr., war vom 1. Dez. 1989 bis zum 31. März 1991 stellv. Leiter, vom 1. April 1991 bis zu 31. Jan. 2005 Leiter des Instituts G2W.

pdfRGOW 3/2021, S. 3

Foto: http://www.kulturkreis-maennedorf.ch