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RGOW 2016 05: Umbrüche und Kontinuitäten. Erinnerungskulturen in Osteuropa

RGOW 2016 05: Umbrüche und Kontinuitäten. Erinnerungskulturen in Osteuropa

Im Fokus: Ein bestürzendes Urteil
Heike Karge zum Freispruch des serbischen Ultranationalisten Vojislav Šešelj durch den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

ERINNERUNGSKULTUREN

Stefan Troebst: Jalta als europäischer Erinnerungsort?
Trotz seiner unbestreitbaren Bedeutung für die europäische Nachkriegsordnung ist „Jalta“ kein europäischer Erinnerungsort. In Polen hingegen ist der Konferenzort auf der Krim ein Erinnerungsort ersten Ranges, der mit dem „Verrat“ der westlichen Alliierten an ihren polnischen Verbündeten verbunden ist. „Jalta“ besiegelte das Schicksal Polens, das fortan in der Einflusssphäre der Sowjetunion bleiben sollte, bis es sich 1989 aus dem „System von Jalta“ befreite.

Melinda Harlov: Vom Paradeplatz zum Parkplatz: Erinnerungsorte in Budapest
Der Umgang mit der bewegten Vergangenheit Ungarns spiegelt sich in der Gestaltung öffentlicher Plätze wider. Am Beispiel des 1956er-Platzes und des Freiheitsplatzes lässt sich in der Stadtplanung Budapests eine Marginalisierung einstiger Repräsentationsstätten der Macht nachzeichnen. So wird der 1956er-Platz – einst Paradeplatz mit einem Stalin- und später einem Lenin-Denkmal – heute vor allem als Parkplatz genutzt, während der Freiheitsplatz als Freizeitzone und Erinnerungsort mit neuen Kunstwerken dient.

Nutsa Batiashvili: Das Museum der sowjetischen Okkupation in Georgien
Das nach dem russisch-georgischen Krieg von 2008 eröffnete Okkupationsmuseum in Georgien reiht sich in eine Reihe gleichartiger Museen in anderen osteuropäischen Ländern ein. Sie alle vermitteln ein homogenes Geschichtsbild, wonach die Verbrechen ausschließlich von den russischen Sowjets begangen wurden, während die jeweils einheimische Bevölkerung Opfer des Kommunismus war.

Mikayel Zolyan: Unabhängigkeit und Konflikt in armenischen Schulbüchern
Bei der Darstellung der Ereignisse der späten 1980er und frühen 1990er Jahre legen die meisten armenischen Schulbücher den Fokus auf den Unabhängigkeitskampf und den Konflikt um Bergkarabach. Der Kampf gegen das totalitäre Sowjetsystem und die demokratische Transition spielen bei diesem Narrativ lediglich eine untergeordnete Rolle. Die Darstellung des Bergkarabach-Konflikts suggeriert Analogien zum Völkermord an den Armeniern von 1915.

Sergey Rumyantsev: Die Gegenwart des Sowjetischen in Aserbaidschan
Wie in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken lässt sich in Aserbaidschan eine Kontinuität zwischen sowjetischer und postsowjetischer Gedächtnispolitik beobachten. Die politischen und kulturellen Eliten sind nahezu identisch geblieben, ihren Aufstieg verdanken sie der sowjetischen Nationalitätenpolitik, deren Institutionen die Kulturpolitik noch heute prägen. Seit dem Tod von Präsident Heydar Aliyev 2003 wurden landesweit zahlreiche Aliyev-Denkmäler errichtet, die an den sowjetischen Personenkult erinnern.