RGOW 12/2021: Aufbruch ins Ungewisse. 30 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion
Vor 30 Jahren, im Dezember 1991, löste sich die Sowjetunion auf. In dieser Ausgabe blicken wir auf die sog. „wilden“ 1990er Jahre in Russland zurück. In allen Lebensbereichen kam es damals zu Aufbrüchen ins Ungewisse: Politisch zerfiel das Sowjetimperium in 15 Nachfolgestaaten, wirtschaftlich kam es mit dem Übergang zur Marktwirtschaft zu enormen sozialen Verwerfungen, während sich gesellschaftlich völlig neue Freiräume für Kunst und Kultur eröffneten. Die Beiträge thematisieren die Offenheit des historischen Augenblicks, die sowjetischen Hinterlassenschaften sowie die damals erfolgten Weichenstellungen für die postsowjetische Zukunft. Die Autor*innen, die überwiegend der Tübinger Osteuropaforschung entstammen oder mit ihr eng verbunden sind, erinnern in ihren Beiträgen insbesondere an den politischen Wagemut, die enorme Kreativität und die bewundernswerte Anpassungsleistung, mit denen die Menschen damals in Russland die zahlreichen Herausforderungen, die gesellschaftlichen Verwerfungen und die daraus hervorgehenden tiefen Einschnitte in ihr Leben meisterten. Neue Freiräume boten sich auch den Religionsgemeinschaften.
Russlands älteste und bedeutendste Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich seit über 30 Jahren der Aufarbeitung der sowjetischen Repressionen und dem Gedenken an deren Opfer widmet, ist unter starken Druck gekommen. Im November haben die rus...
Nach dem Augustputsch und mit dem Aufstieg von Boris Jelzin im Sommer 1991 war der Zerfall der Sowjetunion nicht mehr aufzuhalten. Jelzins Regierungszeit war geprägt von der wirtschaftlichen „Schocktherapie“, dem ersten Tschetschenienkrieg sowie d...
Die wirtschaftlichen Folgen des Zusammenbruchs der Sowjetunion trafen die Bevölkerung in den 1990er Jahren mit voller Wucht. Verantwortlich dafür waren aber nicht in erster Linie die liberalen Reformen der Jelzin-Zeit, sondern die schleppenden Maß...
Ältere Menschen waren vom Zusammenbruch der Sowjetunion in mehrfacher Hinsicht betroffen: Das bereits zuvor marode Rentensystem kollabierte, die Inflation vernichtete die Ersparnisse, die eigene Lebensleistung fühlte sich entwertet an. Für viele R...
Der Zusammenbruch der Sowjetunion erforderte auch eine Neuausrichtung der russischen Außenpolitik. Während die „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS) kaum Integrationskraft entfaltete, beanspruchte Russland weiterhin die Rolle einer Ordnungsmac...
Die frühen 1990er Jahre bedeuteten auch für Kunst und Kultur im postsowjetischen Raum eine Umbruchzeit. Neue Kunstformen und bisher wenig verbreitete Genres und Themen kamen auf, zugleich grenzten sich Kunstschaffende mit einer postmodernen Ästhet...
Mit dem Ende der Sowjetunion setzte in den russischen Museen ein tiefgreifender Wandel ein. Während der Perestrojka wurde eine kritische Auseinandersetzung mit zuvor tabuisierten Themen möglich, und in der bildenden Kunst traten zuvor abgelehnte K...
Die forcierte Industrialisierung der Landwirtschaft und toxische Verschmutzungen durch den militärisch-industriellen Komplex in der UdSSR haben bis heute andauernde Umweltschäden hervorgerufen. Die gegen Ende der 1980er Jahre legalisierten unabhän...
Angesichts des ideologischen Vakuums wurde die Kirche in den 1990er Jahren zu einem hofierten Ansprechpartner seitens des Staates. Von einer „religiösen Wiedergeburt“ lässt sich aber nur bedingt sprechen, erst allmählich entwickelt sich eine Beleb...
Franziska Rich hat Anfang der 1990er Jahre die Entwicklungszusammenarbeit von G2W in Russland aufgebaut. Im Interview berichtet sie von den Anfängen kirchlicher Sozialarbeit, den alltäglichen Herausforderungen und Erfolgen sowie ihrer Wahrnehmung ...